Dienstag, 2. Februar 2016

Identitäten

Meine Mutter feiert am Freitag ihren Geburtstag nach. Das ist einerseits schön, auch für mich, weil ich meine Eltern und meinen Bruder wiedersehen kann, die ich Ende Dezember zuletzt gesehen habe. Andererseits weiß ich, dass Nachbarn und Freunde anwesend sein werden, die ich grundsätzlich mag, die mir aber teilweise zu konservativ sind.
Ich erinnere mich an ein Gespräch vor vielen Jahren, witzigerweise ebenfalls bei einer Geburtstagsfeier meiner Mutter. Eine Nachbarin sagte, sie hätte grundsätzlich keine Probleme damit, wenn einer ihrer Söhne sich als schwul outen sollte, aber es würde ihr doch zu knabbern geben und erst einmal schwer sein. Meine Mutter fragte, wieso, das sei doch Sache des Kindes. An die Antworten erinnere ich mich nicht, ich war vielleicht zwölf und habe an Beziehungen keinen Gedanken verschwendet. Aber ich weiß, dass es oft ähnliche Situationen gab, dass meine Mutter - vom Dorf stammend, Kind einer Bauernfamilie - immer schon sehr offen war. Dass es leichter war, mich ihr gegenüber anzuvertrauen, als dem Rest meiner Verwandten gegenüber. Sie hat immer schon gesagt, dass ich wissen muss, was ich will, und ich bin ihr dankbar dafür.
Und dennoch war ich nicht in der Lage, ihr alles zu erzählen, weil ich nicht weiß, ob sie alles verstehen würde. Weil sie meinem siebzehnjährigen Ich trotzdem sagte, ich könne doch noch gar nicht wissen, dass mich Jungs nicht interessieren. Inzwischen bin ich in der Hinsicht selbstsicherer und inzwischen weiß ich, was ich will und was nicht. Es hat lange gedauert, bis ich im Internet auf den Begriff Asexualität gestolpert bin und zum ersten Mal etwas hatte, womit ich mich wirklich identifizieren konnte. Das bedeutet nicht, dass ich Sex nicht auch genießen könnte - ich bin mir sicher, dass ich auch daran Spaß haben könnte. Ich habe nur einfach kein Interesse daran, eine andere Person derart intim zu berühren. Massagen sind kein Problem, kuscheln ist nicht meine liebste Tätigkeit (war es nie), aber ist mit den richtigen Personen auch okay. Ich habe keine Probleme damit, mich vor jemandem umzuziehen oder mir das Bett mit drei anderen Leuten zu teilen. (Silvester war sehr kuschelig) Und das reicht mir. Auf meine Beziehung möchte ich trotzdem nicht verzichten, die beiden geben mir (vor allem jetzt, in einer Situation, die ihren ganz eigenen Blogeintrag erfordern würde) den Halt, den ich brauche und dann noch so viel mehr. Die Beziehung ist eines der Dinge, die ich meiner Mutter erzählt habe, weil sie etwas ist, das nicht bloß mein Inneres betrifft, sondern mein komplettes Leben. Ich will mit den beiden zusammenziehen, wenn die Zeit gekommen ist.
Ich schweife ab, habe ich das Gefühl. Meine sexuelle Identität ist die einzige, bei der ich mir wirklich sicher bin, und ich habe meiner Familie nichts davon erzählt, weil ich nicht sicher bin, ob es verstanden werden würde. Meine romantische Orientierung muss ich nicht näher definieren, weil ich persönlich das nicht brauche. Ich bin glücklich mit meiner Beziehung und das reicht mir auch ohne Schublade. Geschlechtlich habe ich so gar keinen Plan. Körperlich weiblich, aber ich fühle mich nicht als Frau. Auch nicht als Mann. Am ehesten noch agender, wobei ich mit keinem Pronomen Probleme habe. Solange ich weiß, dass ihr mich meint, dürft ihr mich nennen, wie ihr wollt.
Ähh. Das war eigentlich als ein kurzes Gejammer dazu gedacht, dass ich nicht weiß, wie das am Freitag ablaufen wird, worüber geredet werden wird und ob ich im Endeffekt schweigend dasitze und Alkohol trinke. Verzeiht also die Sprunghaftigkeit, die sich daraus entwickelt hat. Das musste mal irgendwie gesagt werden.